In der Unternehmenspraxis werden Dienstleistungen zu häufig nur wenig systematisch entwickelt, neue Konzepte im Vorfeld nicht ausreichend getestet und anschließend kostspielige Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt. Das Fraunhofer IAO und seine Partner haben diese Defizite erkannt und ihr Wissen in einem weltweit einzigartigen »Labor« gebündelt.
Kernstück des Labors ist das 3D-interaktive Stereo-Projektionssystem, das vor den Augen der Zuschauer auf Knopfdruck einen realitätsgetreuen virtuellen Raum entstehen lässt. Die große Projektionswand kommt zum Einsatz, wenn ganz bestimmte Aspekte der Dienstleistungsumgebung (z.B. Räumlichkeiten, Möblierung, Farbgebung) gestaltet werden sollen. Steht hingegen die Kommunikation zwischen Kunden und Mitarbeitern im Vordergrund, dient die Projektion lediglich als Bühnenbild für das Unternehmenstheater. Der Platz vor dieser Wand ist die Bühne. Um diese Fläche herum gruppieren sich die Zuschauer und geben ihr Feedback zur Verbesserung des Dienstleistungskonzepts.
An der Decke des Labors ist eine Videokamera angebracht, mit der das Geschehen im Raum aufgezeichnet werden kann. Bei Bedarf werden ergänzend hierzu Handkameras eingesetzt. Über ein Soundsystem können Musik oder Geräusche eingespielt werden. Zusätzlich sind im ServLab mehrere Duftsäulen installiert, um auch mit Gerüchen experimentieren zu können und damit einen noch realistischeren Eindruck von der Dienstleistungsumgebung zu erzeugen.
Außerdem ist das Labor mit umfangreicher Software ausgestattet (z.B. Ideenmanagement, Prozessmodellierung), welche die Entwicklung der Dienstleistung unterstützt. Die gesamte Technik lässt sich über eine Pad-Lösung einfach bedienen. Das ServLab wird regelmäßig von Existenzgründern sowie kleinen und mittleren Unternehmen zur Entwicklung ihrer neuen Dienstleistungen genutzt.
Das ServLab wandelt sich von einer reinen Testumgebung zum Experimentier- und Erlebnisraum für Dienstleistungsinnovationen. Anhand von Demonstratoren und Themeninseln werden Smart-Service-Technologien sowie Forschungs- und Entwicklungsthemen für die Besucher erlebbar gemacht. Eine der Themeninseln befasst sich mit der Frage, wie die Qualität von Smart Services in verschiedenen Phasen des Entwicklungsprozesses getestet werden kann. Dies wird anhand des Anwendungsfalls »Biometrisches Boarding am Flughafen« veranschaulicht.
Eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung von Smart Services besteht darin, Servicekonzepte und Leistungsangebote so zu gestalten, dass Kunden den Mehrwert unmittelbar erkennen können. Daher ist es wichtig, möglichst frühzeitig in Erfahrung zu bringen, welche Faktoren die Akzeptanz und Qualitätswahrnehmung positiv oder negativ beeinflussen. Speziell für die Bewertung von Smart Services wurde am Fraunhofer IAO ein Qualitätsmodell entwickelt, das einen strukturierten Erkenntnisgewinn unter Einbeziehung von Kunden oder Nutzern ermöglicht. Dabei werden sowohl die Dimensionen Ressourcen, Prozess und Ergebnis als auch relevante Leistungsbestandteile auf den Ebenen Technologie & Daten, digitale Dienste und Dienstleistungen adressiert.
Die Qualitätsbewertung wird in der Themeninsel am Beispiel des Anwendungsfalls »Biometrisches Boarding« demonstriert. Der Anwendungsfall illustriert, welchen Mehrwert biometrische Daten aus Kunden- und Anbietersicht zur Verbesserung der Fluggastabfertigung beitragen können und welche Gestaltungsoptionen möglich sind. Da es sich bei biometrischen Daten um personenbezogene und damit hochsensible Daten handelt, ist deren Erfassung, Speicherung und Nutzung mit besonderen Herausforderungen für die Qualitätswahrnehmung und Akzeptanz verbunden.
In Kooperation mit dem Flughafen Stuttgart wurden drei Varianten der Customer Journey erarbeitet, die bei der Fluggastabfertigung in unterschiedlichem Umfang auf biometrische Daten zurückgreifen. Die drei Prozessvarianten wurden von der Firma Solid White in einem interaktiven 3D-Modell visualisiert. Zur Qualitätsbewertung kann jeweils die Customer Journey als Ganzes simuliert werden. Ebenso ist es möglich, durch das Anklicken von Hotspots einzelne Teilschritte zu betrachten und mithilfe eines speziell zugeschnittenen Sets an Fragen zu bewerten.
Die Entwicklung des Qualitätsmodells und Befragungsinstruments erfolgte in Kooperation mit dem Business Innovation Engineering Center (BIEC). Die 3D-Visualisierung des Anwendungsfalls »Biometrisches Boarding« wurde in Kooperation mit dem Projekt Smart AI-Work umgesetzt.